Freitag, 15. Juli 2011

Aus dem Alltag einer Buechereule – Bibliophile Träume

Kennst du die Geschichte über den geteilten Visconte? Im Türkenkrieg wird er im Kampf gespalten und interessanterweise kommen beide Hälfte wieder nach Hause: Als guter und als böser Teil. Sie verlieben sich in dasselbe Mädchen, und es kommt zum Kampf zwischen den beiden Viscontes kommt. Diese Geschichte von Italo Calvino schnappte ich mir vor ein paar Tagen und las die ersten Seiten. Es war spät, und schon nach den ersten Absätzen merkte ich, dass ich sie erneut lesen musste, weil ich nichts behalten habe, und dann merkte ich, dass ich sie wieder lesen musste, und wieder und wieder. Schließlich gab ich es auf und schaltete die Lampe aus. Müde. Schlaf. Nachtruhe.

In meinem Traum kippte ich in mich selbst hinein und hatte in dieser Perspektive eine wunderbare Sicht auf eine merkwürdige Innenschau: Marcel Proust versteckte sich in mir drinnen. Zwar war das keine gute Umsetzung des literarischen Doppelgänger-Motivs, doch das Faust-Goethe-Zwei-Seelen-in-meiner-Brust-Motiv war hervorragend getroffen. Vielen Dank, liebes Unterbewusstsein, dass du es geschafft hast, Italo Calvinos Visconte mit meiner neu erworbenen Proust-Ausgabe von »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«  zu verbinden.

Da standen wir nun, Proust und ich. Plötzlich kippt ich wieder aus meinem Körper und stand, immer noch eins mit Proust, im Seitenschiff einer sehr großen Kirche. Vor mir sah ich die Treppenstufen, die in die Katakomben hinabführten. Und ich freute mich diebisch, dass ich zwei war, wusste aber, dass ich mein gespaltenes Wesen niemanden verraten durfte. Um meinen Hals hing allerdings ein Medaillon, das anderen Menschen den Hinweis gab, dass Proust bei mir war. Bald schon lief mir eine Frau hinterher, stoppte mich und fragte, ob ich Proust sei. Dann wachte ich auf.

Ich hoffe, dass ich nicht die einzige bibliophile Verrückte auf diesem Planeten bin, die solche Träume hat und hoffe auch, dass sie nichts schlimmes bedeuten. Zumindest habe ich einen harmlosen Verdacht, den ich durch einen Traum in der darauffolgenden Nacht begründen kann: Da aß ich Madeleines und hörte nicht damit auf. Ich glaube, ich muss wirklich damit anfangen, Proust zu lesen – und darf mir nie wieder nachts den Visconte vorknöpfen.

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